Die kehrverte Welt des Filip Fisch

Kehrverte Weihnachten bei Filip Fisch

 

 

 

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Weihnachtsgeschichte

 

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Hier kannst du die ganze Weihnachtsgeschichte vom Kater Nicki lesen:

 

 

Was Menschen wollen

 

Von wegen Katzen landen immer auf ihren Pfoten! Kater Nicki kam langsam zu sich, er lag auf dem harten Boden, sein schwarz-weiß gemustertes Fell war schmutzig geworden, sein Schädel brummte und er lag da und dachte an eine wunderschöne Winterlandschaft. Die kargen Bäume und erdfarbenen Dächer dick mit sauberem, weißem Schnee überzogen, der verschneite Boden mit nur wenigen Fuß- und Reifenspuren, sanft vom Himmel fallender Schnee. Wunderschön… aber leider ein Jahr her. Heuer wollte und wollte es einfach nicht richtig Winter werden. Kalt war es geworden, gewiss, aber was fehlte, war der Schnee. Der Schnee, in dem man so schön graben kann, der Schnee, in dem man die Mäuse viel besser sieht, der Schnee, in den man lustige Zeichen in gelber Schrift machen kann, die dann von anderen Katzen und Katern der Umgebung stets mit großer Neugierde beäugt werden.

 

Dabei mochte Nicki diese Zeit eigentlich gar nicht. Seine Menschen begannen da immer sehr seltsam zu werden. Und eigentlich mochte Nicki Menschen gar nicht. Natürlich hatten sie auch ihre guten Seiten. Sie gaben ihm Futter, streichelten ihn, unterhielten sich mit ihm mit seltsamen Lauten aber mit freundlichen Gesichtern. Zumindest hielt Nicki sie für freundlich, wenn sie ansahen ihn mit ihren hochgezogenen Mundwinkeln. Aber sie hatten auch ihre Schattenseiten. Sie wurden laut, wenn er sich auf den großen Kasten legte, in dem die schönen Bilder lebten, sie wurden sehr laut, wenn er seine Krallen schärfte und sie wurden ganz besonders laut, wenn er sein Revier in der warmen Stube absteckte. Dabei roch es dann so herrlich nach ihm und kein anderer Kater würde es wagen, diese Grenze zu überschreiten. Deshalb baute Nicki auch keine langfristigen Beziehungen zu den Menschen auf, sondern ging immer dann fort, wenn es ihm zu viel wurde.

 

Meistens geschah das in dieser seltsamen Zeit, in der der erste Schnee fiel. Die Menschen wurden da anders, richtig unheimlich. Es war immer dasselbe Ritual. Das erste Anzeichen war ein Kranz aus Reisig, auf dem sie Licht machten. Prinzipiell gefiel Nicki dieser Kranz, aber er durfte ihm nie zu nahe kommen! Dann brachten sie irgendwann einen riesigen Baum ins Haus. Als gäbe es draußen nicht genug davon! Auf diesen Baum hängten sie viele bunten Spielsachen, aber wehe, Nicki wagte es einmal, damit zu spielen! Natürlich tat er es immer wieder, schließlich war er ja ein Kater. Dann rannten sie ihm nach und schimpften laut mit ihm. Überhaupt waren die Menschen dann immer sehr aufgeregt, sie zogen sich in ihre Zimmer zurück und versteckten sich, jeder wollte für sich alleine sein. Vor allem die Eltern schickten die Jungen weg, bevor sie sich miteinander unterhielten. Nicki war schockiert! In einer Katzenfamilie käme so etwa niemals vor! Katzen halten zusammen.

 

Einmal war Nicki bis zum Ende geblieben. Er hatte zugesehen, wie die Menschen riesige Pakete unter den Baum legten, so viele, dass gar kein Platz mehr zum Durchgehen geblieben war. Dann plötzlich hatte es im ganzen Haus wunderbar zu duften begonnen, aber es war kein Futter zu sehen. Ein bisschen später mussten alle hinter der Türe warten, bis ein Klingeln ertönte. Dann stürmten alle ins Zimmer, sahen den Baum mit den Spielsachen und fingen an jämmerlich  zu jaulen.

 

Das war damals der Moment gewesen, an dem Nicki wieder einmal das Weite und sich eine neue Bleibe mit Menschen suchte. Schwer hatte er es nie gehabt, schließlich war er ein sehr hübscher Kater mit weichem Fell, großen, dunklen Augen und einem, wenn es sein musste, herzzerreißenden Miauen. Ja, und genau damit war er vor einigen anheulbaren Vollmonden bei dieser Familie gelandet. Zwei große und zwei kleine Menschen. Und die waren wirklich nett! Sie gaben Nicki viel zu essen, er hatte sogar zugenommen, jedenfalls spannte sein Fell bedenklich. Die Kleinen spielten oft mit ihm, herzten und streichelten ihn. Es gab kaum Verbote. Bis, ja, bis zu dem Tag, an dem wieder die verrückte Zeit begann.

 

Sie hatten Licht am Kranz gemacht, erst eines, dann zwei, dann drei, dann vier. Sie hatten ihm verboten, damit zu spielen. Sie hatten eine Baum gebracht und ihn reich behängt. Und ihm verboten, damit zu spielen. Sie hatten den ganzen Boden, sein Revier, mit großen, schweren Paketen verstellt und diese Familie hatte sich noch etwas ganz besonders Grausames ausgedacht. Der große Mensch, das Männchen, hatte ihm ein Band um den Hals geknotet, mit etwas darauf, das bei jedem Schritt von Nicki bimmelte. So vorsichtig konnte er gar nicht schleichen, so behutsam konnte er sich nicht bewegen, dass dieses Ding um seinen Hals ruhig geblieben wäre. Bimmel, Bimmel! Nicki wurde fast wahnsinnig dabei! Das hatten sie ihm sicher nur umgehängt, um ihn kontrollieren zu können, um stets zu wissen, ob er nicht beim Kranz sei, oder beim Spielzeugbaum oder bei den riesigen Paketen, um sie mit Duftmarken zu versehen oder sie einfach zu zerkratzen, diese unnötigen, klobigen Dinger! Natürlich versuchte Nicki, dieses Band abzustreifen, er hakte seine Krallen ein, rieb sich am Boden, an der Türe… sinnlos. Das Band hielt eisern auf Nickis Hals.

 

Also hieß es wieder mal Abschied nehmen. Den futterlosen Duft, die Hektik, die Geheimnistuereien, die ausgesperrten Jungen und dann auch noch das Gejaule, nein, das würde Nicki nicht noch einmal aushalten. Schon gar nicht mit dem Bimmel, Bimmel um seinen Hals. Hektisch sah er nach, die Türe unten war geschlossen, auch die Fenster. Also lief Nicki in den ersten Stock, sah in all jenen Zimmern nach, in denen sich nicht gerade Geheimniskrämer verschanzt hatten und endlich, im letzten Zimmer, fand er ein gekipptes Fenster. Kater Nicki sprang hoch und zwängte sich mühsam durch den Spalt, durch den er vor der Zeit bei dieser Lebensabschnittsfamilie um einiges leichter gepasst hätte.

 

So stand er nun auf dem Dach des Hauses, streckte sich genüsslich, an seinem Hals bimmelte es, er atmete tief, ein und genoss die wieder gewonnene Freiheit. Herrlich… Sein Blick strich über die karge, schneelose Landschaft. Es war kalt, aber sein dickes, weiches Fell schützte ihn ausreichend. Kater Nicki schnurrte zufrieden. Konnte es irgendwo noch schöner sein? Und dann sah er sie, glitzernd und funkelnd tanzte dicht vor seiner Nase… die erste Schneeflocke! Jetzt war Nickis Glück vollkommen! Er beobachtete die kleine Flocke, wie sie langsam Richtung Boden schwebte. Er beugte sich weit vor, wollte sie auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Da plötzlich verlor er, der geschickteste aller Kater, das Gleichgewicht und fiel vom Dach! Nicki versuchte gar nicht, sich festzukrallen, zu groß war sein Wunsch, diese Flocke wieder zu sehen. Und er sah sie, ja, er näherte sich ihr, überholte sie, sein Blick fixierte dieses funkelnde Kleinod. Im Fallen drehte er sich verzückt nach ihr um, vergaß alles rund um sich, die Flocke entfernte sich von ihm und… Bimmel!

 

Kater Nicki kam langsam zu sich, er lag auf dem harten Boden, sein schwarz-weiß gemustertes Fell war schmutzig geworden, sein Schädel brummte und er lag da und dachte an eine wunderschöne Winterlandschaft.

 

„Jössas! Was ist denn dir passiert?“

 

Wie? Wer hatte das gesagt? War es der Blödkater Fredi von Nebenan, der sich wieder einmal über ihn lustig machen wollte? Oder die süße Chantalle vom Ende der Straße? Ach nein, die war sich ja zu gut, um mit ihm zu sprechen.

 

„Komm, ich helfe dir auf.“ Und da sah Nicki, wer zu ihm gesprochen hatte. Es war… ein Mensch! Ein Großer! Und er beugte sich über ihn, riesengroß. „Margit, bring mir bitte eine Decke!“ Kater Nicki war ein Flinker, aber so schnell war selbst er noch nie gewesen. Er sprang auf, sein Herz schlug bis zum Hals! Wieso konnte er diesen Menschen verstehen? Nicki rannte zum Haus seiner Menschen, die er noch vor wenigen Minuten hatte verlassen wollen. „Wieso rennt’s denn jetzt weg?“ Oje, das große Weibchen verstand er auch! Vielleicht beherrschten diese Menschen Fremdsprachen? Katzisch? Oder es handelte sich um eine… Zauberfamilie?

 

Nicki kletterte in Windeseile die Fassade hinauf, wollte nur noch zurück zu den Seinen, die er nicht verstehen musste, verbotener Spielzeugbaum hin, jämmerliches Gejaule her. Er erreichte das gekippte Fenster, sprang hoch – Bimmel, Bimmel – zwängte sich mühsam durch den Spalt und kam endlich wieder in der warmen Stube, ja in Sicherheit an. Er atmete hektisch. Was war denn da passiert? Es gab Menschen da draußen, mit denen er…

 

„Liebes, holst du bitte den Stern?“

 

Nicki erstarrte. Also doch! Er war zum Menschenversteher geworden! ‚Wenn das Fredi  und die anderen erfahren, bin ich unten durch.“ dachte er. Langsam schlich er Richtung Türe und lugte vorsichtig hinaus. Er sah im unteren Geschoß die beiden Großen, das Männchen und das Weibchen, wie sie vorsichtig einen Stern ganz oben auf den Baum steckten, einen Stern der Nicki ein wenig an seine Schneeflocke erinnerte.

„Wunderschön. So herrlich war unser Christbaum noch nie!“ Christbaum? So hieß der Spielzeugbaum also. Nicki spähte durch das Geländer des oberen Geschoßes, um alles zu sehen, was die Menschen da taten. Und vor allem, um alles zu hören. Da drehte das Männchen sich zu ihm um. „Peterle! Da bist du ja!“ Nicki erschrak zutiefst, so ertappt worden zu sein. Er sprang auf und rannte in eines der Zimmer der beiden kleinen Menschen. Wie gerne hätte er die Türe hinter sich schließen können! Wieder spürte er, wie schnell sein Herz vor Aufregung schlug. ‚Peterle? Sie nennen mich… Peterle?’ Nicki war bestürzt, schockiert, neugierig und aufgeregt, alles gleichzeitig.

                                                                  

„Kommen sie eh nicht rein?“ „Nein, sie spielen unten Christkinderl und schmücken den Baum“ Nicki drehte sich langsam um. Er hatte erst gar bemerkt, dass die beiden kleinen Menschen auch im Zimmer waren. Neugierig beobachtet er die beiden. Was stellen die da wohl an, dass sie so sehr fürchten entdeckt zu werden? Diese Familie ist ja so unehrlich. „Schau mal, das habe ich für Papa besorgt.“ Das Mädchen zeigte ihrem Bruder ein Stoffband, eines vor der Art, wie sie das große Männchen oft um den Hals gebunden hatte. Das klingelte übrigens nicht. „Damit hat er bestimmt eine riesige Freude!“ Das war es also! Die Beiden hatten gar nichts ausgefressen. Sie wollten ihre Eltern nur überraschen. Das gefiel Nicki. Er lief ein paar Schritte vor, so dass sie ihn bemerken musste, schaute die beiden Menschenkinder selbstbewusst an und sagte: „Bitte wundert euch nicht, ich spreche eure Sprache. Ich meine, ich wundere mich ja selbst, aber es war plötzlich einfach da. Und ich finde es toll, was ihr da…“. „Süüüß!“ Das Mädchen sah Nicki verzückt an. ‚Die wundert sich gar nicht…“ dachte er. „Hör nur, wie aufgeregt er miaut“ Er weiß sicher auch, dass Weihnachten ist!“. Ok, es funktionierte also nur in eine Richtung. Wäre auch zu schön gewesen. „Aber nichts verraten, Peterle, gell!“ Beide Kinder lachten laut und hell.

 

Schon viel entspannter und leise bimmelnd verließ Nicki den Raum. Jetzt musste er das Geheimnis um den Spielzeugbaum, nein den Christbaum, lösen. Trotz Bimmel beinahe lautlos schlief er die Stufen hinab. „…wenn sie den Baum sehen. Ich liebe ihre funkelnden Augen. Das ist der schönste Tag des Jahres.“ Nicki hatte beinahe den Baum erreicht. „Peterle! Weg vom Baum! Ksch, ksch! Weißt du, wie weh das tut, wenn dir eine der Kugeln auf den Kopf fällt!“ Nicki lief in die Küche. Er war gar nicht erschrocken, gar nicht böse auf seine Menschen. Sie hatten das immer nur gesagt, damit ihm nichts passiert. Sein kleines großes Katerherz schlug schnell, diesmal weil es warm wurde, warm vor Freude.

 

Bimmelnd lief er in die Küche. Er sah den Kranz, auf dem alle vier Lichter hell leuchteten. Selbstbewusst sprang er auf den Tisch, er musste das Licht endlich aus der Nähe sehen! „Peterle, gehst du da runter! Das ist Feuer! Heiß! Dein Fell kann brennen!“ Nicki sprang vom Tisch. Er wusste genug. Auch das hatten sie nur für ihn getan. Selbst durch sein dichtes Fell hindurch hätte man erkennen können, wie er rot vor Scham wurde. Er hatte diese Familie verlassen wollen, diese Menschen, die ihn liebten, als wäre er einer von ihnen.

 

Der Rest des Abends war dann ein einziger Zauber für den Menschenflüsterer Nicki. Der großartige Duft, der schon seit Stunden im Raum gehangen war, wurde zu einem herrlichen Gänsebraten, von dem auch Nicki oder Peterle – so schlecht war der Name gar nicht – ein großes Stück bekam. Nach dem Essen lasen die Menschen, die großen und die kleinen, einander selbst verfasste Geschichten vor. Eine schöner als die andere, fand Nicki-Peterle, auch wenn er viele Inhalte gar nicht verstand. Wer waren Maria und Josef? Aber dieser Jesus, der hat morgen Geburtstag, das wusste selbst der Kater jetzt. Dann sangen sie alle vier ein wunderbares Lied von einer stillen Nacht und er ertappte sich, wie er leise mitsummte. Das war noch viel schöner als die Vollmondsonaten von Chantalle, fand Nicki! Dann öffnete alle die riesigen, ständig im Weg stehenden Pakete, in denen waren Geschenke für alle in der Familie. Und auch ein Paket für Nicki war dabei, ein ziemlich großes. Der kleine Menschenbub öffnete es für ihn und zum Vorschein kam… ein riesengroßer, mit weichem Teppich überzogener Kratzbaum. So erlebte auch der kleine Kater den schönsten Tag des Jahres, ja seines ganzen Katzenlebens.

 

Ganz spät am Abend nahm sein großer Mensch Nicki auf den Schoß. Er öffnete das das Bimmel Bimmel-Band, streichelte den Kater und sagte: „So, jetzt befreie ich dich wieder von dem Ding. Du verstehst mich zwar nicht, aber ich sage dir trotzdem, warum wir es dir umgehängt haben: Weil du, mein lieber Peterle, unser schönstes Weihnachtsgeschenk bist.“ Schnurrend und überglücklich schlief Peterle auf seinem Schoß ein.

 

 

Am nächsten Morgen wachte Peterle sehr früh auf. Er lief leise und ganz ohne zu bimmeln in die Stube, sah sich noch einmal um, stellte sich unter den herrlichen Christbaum, schloss die Augen und genoss noch einmal den Geist dieses wundervollen Abends. Vor lauter Freude stellte sich sein Schweif auf und löste dabei den Haken einer Kugel, ausgerechnet der größten am Baum. Es kam, wie es kommen musste, vielleicht hat ja auch jemand da oben nachgeholfen, die Kugel fiel hinab und Peterle genau auf den Kopf! Es wurde schwarz…

 

Als Peterle wieder erwachte, standen seine vier Menschen um ihn herum und sahen ihn besorgt an. Sie sprachen aufgeregt miteinander, sie redeten Peterle mit zärtlichen, tröstenden Worten zu, aber er verstand sie nicht. Nicht mehr. Peterle war es egal. Er wusste, dass ihn seine Menschen lieb haben und nur das zählte. Das und der Moment, in dem er den anderen Katzen und Katern seine Weihnachtsgeschichte erzählen würde. Fredi wird platzen vor Neid! Und Chantalle wird ihm zuhören. Ganz gespannt und aufmerksam.

 

ENDE